Evangelischer Posaunenchor von 1886 Gronau

Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers.

- G. Mahler

1886 

Während John Styth Pemberton seine erste Cola in „Jacobs Pharmacy“, Atlantas größter Soda-Bar verkauft, konstruieren und patentieren Gottlieb Daimler und Carl Benz ihre ersten drei- und vierrädrigen Kraftwagen, die von Benzinmotoren angetrieben werden. Der Märchenkönig Ludwig II. ertrinkt unter mysteriösen Umständen im Starnberger See und der erste Zug fährt durch den Gotthard-Eisenbahntunnel. Die Amerikanerin Josephine Cochran reicht ein Patent für einen mit Wasserdruck arbeitenden Geschirrspüler ein, der Fußballclub „FC Arsenal London“ wird gegründet, die Freiheitsstatue eingeweiht und die Weißbierbrauerei Erdinger wird zum ersten Mal urkundlich erwähnt. 

In Gronau geht aus dem „Männer- und Jünglingsverein“ (heute Christlicher Verein Junger Menschen oder kurz CVJM) der Posaunenchor hervor und ist damit einer der ältesten Musikvereine im Münsterland.

Die ersten Chorleiter sind die beiden Musiker Schwandt (aus Gronau) und Reuning (aus Ahaus). Beide tun ihr Bestes, die jungen Bläser auszubilden, so dass sie bald imstande sind, die Gesänge des Vereins zu begleiten. Dann übernimmt der Presbyter A. ten Damm mit großer Liebe und Ausdauer die Leitung des Chores und dirigiert ihn mit seiner bescheidenen und ruhigen Art bis zu seinem Tod im Jahr 1918.

Der Krieg reißt den Posaunenchor auseinander und es ist der Verdienst des engagierten Musikers und Helikonspielers Lambert Bevers, nach Friedensschluss den Chor wieder zu vereinen. Von den früheren Bläsern kehren nicht alle zurück, die Instrumente sind beschädigt oder abhanden gekommen. Aber die verbliebenen alten Musiker finden wieder zusammen und mit vereinten Kräften gelingt ein neuer, bescheidener Anfang. Nach Lambert Bevers übernimmt der Posaunist Gerhard Rading die Leitung und übergibt sie später Josef Kasten. Mit großen Eifer und viel Geschick formt er den Chor wieder zu einem hörenswerten Klangkörper. Neben Kirchenmusik werden Marsch und Konzertmusik fester Bestandteil des Repertoires.

1928 übernimmt Roelof Kiffen die Chorleitung und bleibt dem Posaunenchor auch in der schweren Zeit des Nationalsozialismus treu.

Auch der Posaunenchor leidet unter der Gleichschaltung durch die Nazis im Jahre 1933, doch trotzdem werden bis 1939 das alljährliche Silvesterblasen und die Begleitung der Gottesdienste durchgeführt. 

Der Zweite Weltkrieg ist wohl die schwerste Zeit für den Posaunenchor. Er besteht zeitweise nur aus fünf aktiven Musikern, die sich aber immer noch um die musikalische Begleitung der Gottesdienste kümmern. Diese niedrige Mitgliederzahl lässt sich auf die eingezogenen kriegsfähigen Männer zurückführen. Insgesamt muss der Posaunenchor 17 Gefallene, Bombenopfer und Vermisste aus seinen Reihen beklagen. 

Nach dem Zweiten Weltkrieg bekommt der Posaunenchor wieder neuen Schwung. Der Unternehmer M. van Delden spendet Blechblasinstrumente, Schlagwerk und Notenständer aus der Vorkriegs-Werkskapelle. 

Der Posaunenchor verzeichnet einen Andrang von neuen Mitgliedern, besonders junger Leute. Außerdem kommen auch ehemalige Mitglieder nach jahrelanger Kriegsgefangenschaft wieder zurück. 

Als Roelof Kiffen 1958 erkrankt, tritt Heinz Butke mit nur 24 Jahren an seine Stelle als Chorleiter und dirigiert den Posaunenchor unter anderem in einem Rundfunkgottesdienst, der aus der Evangelischen Stadtkirche gesendet wird.

Im November 1958 zeichnen sich neue Strukturen im Posaunenchor ab, als er zu einem selbstständigen Verein in der evangelischen Gemeinde wird, bekannt unter dem Namen Evangelischer Posaunenchor von 1886 Gronau. Nach der ersten Vorstandswahl leitet Günter Wolters nun als Vorsitzender den Posaunenchor. 

Heinz Butke nimmt seine Arbeit als Dirigent sehr ernst, fühlt sich aber zu jung, um eine solch wichtige Aufgabe für immer zu übernehmen. Deshalb bittet er den Vorstand, sich doch intensiv um einen neuen musikalischen Leiter zu bemühen. 

Ende 1959 löst der erfahrene Militär- und Orchestermusiker Berthold Johannesdotter Heinz Butke als Dirigenten ab. Heinz Butke übernimmt das Amt des zweiten Dirigenten und füllt es bis heute mit viel Leidenschaft aus. Berthold Johannesdotter ändert die bisher recht sakrale Musikrichtung und dirigiert weltoffene, flotte Blasmusik. Seine Einflüsse durch Jazz- und Tanzmusik geben dem Verein neuen musikalischen Schwung. 

In kurzer Zeit schafft es der Vollblutmusiker „Jo Berthold“, wie er unter Freunden genannt wird, den Posaunenchor auch weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt zu machen. Beim Presbyterium findet dieses natürlich nicht die unbedingte Zustimmung. Es ist nach Meinung des Kirchenvorstandes nicht vertretbar, dass ein Posaunenchor zu Schützenfesten und dergleichen aufspielt. So werden aus den Posaunenchormusikern die „Grenzland-Jäger“, wenn außerkirchliche Veranstaltungen zu spielen sind. Nur die engsten Freunde des Chores wissen um den Grund einer Kapelle mit zwei Namen. Zu ihnen gehört die Bürgerschützengilde Rheine-Eschendorf e.V., bei der immer noch die Grenzland-Jäger aufspielen.

Am 6. und 7. Mai 1961 feiert der Posaunenchor seinen 75. Gründungstag. Auf dem Festprogramm stehen unter anderem ein Marsch durch die Stadt, ein Konzert, ein Festgottesdienst sowie Choralblasen an der Pergola im Stadtpark mit anschließendem gemütlichen Ausklang. 

1962 spielt der Chor zum ersten Mal beim Schützenfest in Rheine-Eschendorf auf, wo die Musiker seitdem jährlich eingeladen sind. Bei diesem Schützenfest zeigt sich die Vielfältigkeit der Musik des Posaunenchores. Musikalisch begleitet werden sowohl der Gottesdienst, die Gedenkfeier am Ehrenmal, der Frühschoppen, das Vogelschießen und die beiden Festumzüge mit dem alten und neuen Thron. 

1963 sieht das Publikum die Musiker erstmals in einer Uniform, dunkelblaue Jacken und graue Hosen. 

Der Vorsitzende Bernhard Maat löst 1966 Günter Wolters ab. Unter Maats geschäftlicher und Berthold Johannesdotters musikalischer Leitung tritt der Evangelische Posaunenchor von 1886 Gronau 1967 bei seinem ersten internationalen Musikwettstreit in Rheine an. Hier können sich die Musiker den ersten Platz sichern. Später im Jahr gestalten sie das erste Herbstkonzert in der Concordia. Auch diese Tradition wird bis heute unter dem Namen „Melodien der Welt“ weitergeführt. Hier zeigt sich der Chor in voller Besetzung mit einem abwechslungsreichen Programm, eigener Bühnendekoration und manchen „musikalischen Überraschungen“ z.B. Alphörner, Schiffsglocke, Dudelsack – je nach thematischem Schwerpunkt.

1968 wird mit Elisabeth Torstrick das erste weibliche Mitglied begrüßt. Heute ist der Posaunenchor ohne die vielen weiblichen Mitglieder nicht mehr vorstellbar. 

In den folgenden Jahren ändert sich der Ort für die Probenarbeit mehrmals. Als die evangelische Kirche am Schlossplatz abgerissen wird, waren die Musiker und Musikerinnen genötigt, ihre Proben in der Realschule abzuhalten. 

Seit 1973 präsentiert sich der Posaunenchor mit blauen Jacken und schwarzen Hosen als Uniform. 

1974 findet der Posaunenchor einen neuen Probenraum im Keller des Gemeindezentrums Mitte, das am ersten Advent eröffnet wird. Hier können die Musiker nun bis 2006 ihr Hobby ausüben. 

Im Jahr 1977 gibt der Posaunenchor sein erstes Neujahrskonzert im Gemeindezentrum Mitte. Hiermit beginnt eine Tradition, bei der in gemütlicher Runde die Gemeinde bei Kaffee und Kuchen der Musik des Posaunenchores zuhört. 

Ein Highlight ist 1979 für die Blechbläser die Chor- und Familienfreizeit auf Borkum, bei der sie unter anderem ein Konzert vor 1000 Zuschauern auf der Insel geben. Einen Tag später begleiten sie den Gottesdienst, in dem der Mitorganisator und Geistliche Beirat des Vereins, Rolf Krebs, predigt.

Im Mai 1986 feiert der Posaunenchor anlässlich seines 100jährigen Bestehens ein großes Fest. Mit einem Rundfunkgottesdienst, dem Jubiläumskonzert, einem Freiluftkonzert aller Gronauer und Eper Kapellen, dem Großen Zapfenstreich, einem Sternmarsch durch die Stadt und einem Festival der Blasmusik begehen die Musiker und Musikerinnen mit Gästen aus Dänemark, Großbritannien und den Niederlanden den runden Geburtstag.